Ganz zu Beginn meiner "Karriere" in NL HE las ich irgendwo im Internet in einem Forum mal einen Artikel zum Thema "Gewinnmaximierung in einer Hand". Unwissentlich und etwas naiv dachte ich mir damals, dass es ja eigentlich logisch wäre den maximalen Gewinn aus jeder Hand rausholen zu wollen. Dass genau das aber nicht immer einfach ist und was alles für Faktoren mitspielen um dies zu erreichen wurde mir erst viel später bewusst. Dieser Artikel fiel mir gestern wieder ein als bei einem SNG auf FullTilt folgende Hand passierte:
Bei Blinds 25/50 und noch 8 Spielern am Tisch limpe ich UTG 8-8 (mein Stack ca. 1'500), ein sehr looser Spieler limpt ebenfalls, alle folden zum SB welcher einen Minimum Raise auf 100 macht (wie dämlich dieser Raise war lassen wir mal aussen vor). Ich bezahle natürlich die 50 mehr und auch der loose Spieler zu meiner Linken callt. Dann der Weihnachts-Flop für mich: 5-5-8. Der Raiser im SB checkt, ich überlege und checke ebenfalls, der loose-aggressive Guy pusht all-in für 800 in den Pot von 350, der SB überlegt lange und pusht schliesslich ebenfalls all-in für 1'600 und ich calle natürlich in Windeseile! Der LAG Limper zeigt 9-9, der SB hat mit A-Q gepusht und mein Full House bringt mich schliesslich von 1'500 auf rund 4'100 Chips.
Grundsätzlich bin ich kein Fan von Slow-Play, dem wohl allerliebsten Spielzug vieler Anfänger und fortgeschrittener Spieler. Auch in dieser Situation überlegte ich mir in der Sandwich Position auf dem Flop kurz ob ich betten soll oder nicht. Der ausschlaggebende Grund dann doch zu checken war der zweite Gegenspieler in dieser Hand, welcher noch nicht dran war. Er spielte bis dahin sehr loose und aggressive und ich traute ihm zu, dass er in diesem Spot als Short-Stack einen Move wagen würde. Genau so kam es. Dass der SB ihn dann noch isolieren wollte mit einem Re-Raise um A-Q zum Show-down zu bringen war natürlich dämlich aber für mich einfach nur herrlich! Leider kommt es viel zu selten vor, dass man als 9-to-1 Favourite auf dem Flop alle Chips in der Mitte hat und so gleich fast verdreifachen kann!
Hätte ich in der selben Hand Position gehabt (last to act) und der Short-Stack wäre ein eher passiver Spieler gewesen hätte ich wohl gebettet in der Hoffnung, dass jemand die Bet als Steal Versuch interpretieren würde. Position, Image/Spielstil, Chip Stack sowie Hand Range des Gegners sind entscheidend dafür wie ich eine Hand spiele.
Um eine Hand slow zu spielen braucht es in der Tat ein Monster! Ist A-K auf einem Board K-Q-10 ein Monster -- Nein! Ein geflopptes Full House gehört aber zweifellos in diese seltene Kategorie. Nur mit solchen praktisch unschlagbaren Händen bin ich bereit slow zu spielen weil ich will, dass meine Gegner ihre Hand auf dem Turn verbessern und dann nicht mehr loslassen können.
Der Hauptgrund der gegen Slow-Play spricht ist allerdings der Value Verlust, den wir damit in Kauf nehmen. Mit einer starken Hand sollte es eigentlich unser Ziel sein auf jeder Street Chips in den Pot zu bringen, damit dieser am Schluss möglichst gross ist. Da wir auf dem Flop nur noch 3 Betting Rounds haben verlieren wir viel Value in unserer Hand wenn wir eine davon auslassen.
Beispiel dazu auf dem Flop in einem Heads-up Pot, immer mit 1/2 Pot-Size Bets gerechnet.
Auf dem Flop beträgt der Pot 200, Spieler 1 setzt 100, Spieler 2 callt.
Auf dem Turn beträgt der Pot 400, Spieler 1 setzt 200, Spieler 2 callt.
Auf dem River beträgt der Pot 800, Spieler 1 setzt 400, Spieler 2 callt.
Der Pot beträgt beim Show-down 1'600.
Lassen wir nur eine Bet weg, egal auf welcher Street, ist der End Pot beträchtlich kleiner.
Auf dem Flop beträgt der Pot 200, Spieler 1 setzt 100, Spieler 2 callt.
Auf dem Turn checken beide Spieler, der Pot bleibt bei 400.
Auf dem River beträgt der Pot 400, Spieler 1 setzt 200, Spieler 2 callt.
Der Pot beträgt beim Show-down 800.
Wenn also auf nur einer Street beide Spieler checken ist der Pot beim Show-down gleich 50% kleiner wie wenn auf jeder Street gesetzt worden wäre. Dieser Faktor gilt bei 1/2 Pot Size Bets.
Wenn auf jeder Street sogar Pot Size gesetzt wird ist dieser Faktor nochmals höher: Wenn nur eine Betting Round ausgelassen wird ist der End Pot gleich drei Mal kleiner wie wenn auf jeder Street gesetzt worden wäre!
Bei SNGs o.ä. Turnieren wo alle Spieler am Tisch orange/yellow zoned sind ist der Unterschied einer ausgelassenen Bet häufig nur, ob zwei Spieler auf dem Turn oder erst auf dem River all-in sind. Richtiger Value Verlust gibt's dafür bei Deepstack Turnieren oder Cash Games.
Unser Ziel sollte es also stets sein mit marginalen Händen kleine Pots zu spielen und dafür bei den starken Händen möglichst viel Value rauszuholen! Dies tönt zwar einleuchtend, wie's in der Praxis aber erreicht werden kann ist nicht immer einfach... :)